Viele Unternehmen befinden sich gerade in der agilen Transformation und sobald die ersten Schritte erfolgreich waren (meist die Einführung der typischen Scrum Prozesse) steht oft die nächste Herausforderung an. Eine Transformation jenseits von Scrum auf Teamebene mit Implikationen auf traditionell etablierte Prozesse und Kulturen wie z.B. dem Verständnis von Führung (von hierarchischer Führung hin zu Servant Leadership und selbstorganisierten Teams). Als Beispiel wird im Folgenden das Thema Selbstorganisation herausgegriffen
Bereits in den Prinzipien des Agilen Manifest heißt es
„Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.“
Ich habe sowohl in "klassischen" als auch in start-ups und agilen settings gearbeitet und kenne Vor- und Nachteile aus eigener Erfahrung. Auch wenn selbstorganisierte Teams viele Vorteile bieten, kann man nicht pauschal sagen, je mehr Selbstorganisation desto besser. Auch der Glaube, Selbstorganisation entsteht allein durch "laissez-faire" ist ein weit verbreiteter Irrglaube.
Zielführender ist die Frage, wieviel Selbstorganisation in der momentanen Situation für die Organisation und das Team am besten ist - und wie man auf diesen Level kommt.
Selbstorganisierte Teams - das klingt erst einmal gut, modern und agil. Aber was verspricht man sich davon?
Oft genannte Gründe sind: Schnellere Entscheidungen und Umsetzung, höhere Motivation der Teammitglieder, Verschlankung der Strukturen, etc. Diese Vorteile können in der Praxis auch definitiv erzielt werden, vorausgesetzt, die Selbst-Organisation ist gut organisiert - so paradox sich das auch erst einmal anhört, aber Selbstorganisation braucht Führung.
Es genügt nämlich keineswegs, einfach die Managementebene zu eliminieren und anzunehmen selbstorganisierte Teams würden dadurch von selbst entstehen. Das ist eine etwas blauäugige Annahme, denn zum einen braucht es nach wie vor Entscheidungen und Führung. Und zum anderen muss das Team auch in die Lage versetzt werden selbstorganisiert zu handeln. Sowohl durch die entsprechenden Kompetenzen der Mitglieder als auch durch passende Rahmenbedingungen. Wie kann man jetzt also diese Selbstorganisation organisieren?
Bestimmte klassische Führungsaufgaben werden bei anderen Rollen angesiedelt. Fachliche Entscheidungen (z.B. welches Feature höhere Priorität hat) sollte der Product Owner treffen. Prozessfragen, Moderation und Hindernisse für produktives Arbeiten sollten durch den Scrum Master abgedeckt werden. Was bleibt dann noch für die klassische Führungskraft übrig? Die Führungskraft hat eine wesentliche Rolle in der Gestaltung des Rahmens für das Team also typischerweise Aufgaben, die über das Team hinausgehen, z.B.
Je nach Organisationskultur sind diese Aufgaben unterschiedlich schwierig; in einer kleinere innovativen Firma ist das sicherlich einfacher als in etablierten Organisationen, die über Jahrzehnte anderes gearbeitet haben. Hinzu kommt, dass auch die Mitarbeiter selbst neue Kompetenzen brauchen. Ein Mitarbeiter, der es jahrelang gewohnt war, dass sein Chef genau definiert was zu tun ist und auch die komplette Verantwortung übernimmt, muss diese neue Erweiterung seiner Verantwortung evtl. erst schrittweise erlernen. Manchmal sind dabei die Mitarbeiter nicht in der Lage oder gewillt, diese neuen Rollen einzunehmen. In diesem Fall ist ein Wechsel des Mitarbeiters in einen anderen Bereich mit traditionelleren Aufgaben evtl. sinnvoll. Weitaus häufiger ist jedoch der Fall, dass die Kompetenzen durchaus vorhanden sind und teilweise außerhalb des Arbeitsumfeldes schon erfolgreich einegesetzt wurden. Mitarbeiter haben beispielsweise den Bau Ihres Eigenheims hervorragend gemanagt oder die organisatorische Meisterleistung Kinderbetreuung und Job auszubalancieren sehr gut bewältigt. Diese Mitarbeiter blühen dann auf, wenn sie die Möglichkeit haben, diese Kompetenz auch im normalen Beruf zu nutzen.
Selbstorganisierte Teams entstehen nicht von alleine, sondern benötigen vor allem am Anfang Unterstützung und einen stabilene Rahmen. Sobald sich aber die Prozesse eingespielt haben, amortisiert sich diese Investition sehr schnell durch höhere Produktivität, Verschlankung der Struktur, schnellere Umsetzung und eine höhere Motivation. Mit zunehmendem Reifegrad des Teams können mehr und mehr Führungs- und Entscheidungsfragen durch das Team selbst gelöst werden - nichtsdestotrotz benötigt es aber weiterhin einer Rolle, die sich um Belange jenseits des Einflussbereiches des Teams kümmert. Oft ist diese Rolle auch hierarchisch höher angesiedelt, dies ist jedoch nicht zwangsläufig erforderlich, wichtig ist lediglich die Handlungskompetenz zur Erfüllung dieser Aufgaben.